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seine Fesseln durch und beugten sich mit bleichen Gesichtern
über ihn, besorgt, daß sie ihn getötet hatten. Später drohten sie
ihm schlimmere Strafen an, wenn er die Spuren zeigte, die die
Seile an seinen Handgelenken hinterlassen hatten.
Er hatte sich bei niemandem beschwert. Schon damals hatte
er die Bedingungen seines Willkommen bei den Nhi erkannt,
hatte gelernt, wie er die Fetzen seiner Ehre zusammenhielt und
sich still daran wärmte. Er hatte sich auf die Lippen gebissen,
hatte verstohlen geübt, hatte sich nur auf sich selbst verlassen,
bis er die Ehre des Kriegerzopfes errang und die Gebote der
uyin-Ehie Kandrys und Erij mehr und mehr davon abhielten,
ihren Halbbruder zu quälen.
Aber ihre Blicke waren unverändert  die kaum
wahrnehmbaren, haßerfüllten Blicke, die verstohlene
Verachtung, die zum Ausdruck kam, wenn er einen Fehler
beging, der seine Ehre berührte.
Selbst die Chya stellten ihm ähnlich nach  sie rochen die
Angst und scheuchten sie auf, wie Wölfe, die ein Reh wittern.
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Zugleich war da etwas in Vanye, das ihm den Lord von Chya
sympathisch machte, diesen Mann, der ihm so ähnlich war, der
seine Verwandschaft in Gesicht und Haltung offenbarte. Roh
war ein legitimer Sohn; Rohs Vater hatte Lady Ilel praktisch
ihrem Schicksal überlassen als Gefangene Rijans, dessen
Bastard sie im Leibe trug, ein Kind, das auf keinen Fall
zurückkehren und die Reinheit der Chya in Frage stellen durfte
 im Wettbewerb zu seinem Sohn Roh.
Die Chya fürchteten ihn und spürten zugleich seine Angst
und wären ihm an die Kehle gegangen, hätten sie gegenüber
Morgaine nicht in der Schuld gestanden.
Tief in der Nacht wurde sein unruhiger Schlummer von
einem gestiefelten Fuß gestört, der knirschend auf ein
Aschestück neben seinem Kopf trat. Er stemmte sich auf den
Arm hoch, während Roh neben ihm in die Hocke ging und auf
ihn herabblickte. Erschrocken griff er nach dem Schwert; Roh
packte seine Hand und drückte den Griff nach unten.
»Ihr seid von Leth gekommen«, sagte Roh leise. »Wo hast
du sie getroffen?«
»Bei Aenor-Pywn«, sagte Vanye. Er richtete sich auf, zog
die Füße unter sich, strich sich das lockere Haar aus den
Augen. »Und ich meine immer noch, du solltest Morgaine
selbst nach ihren Plänen fragen, nicht ihren Diener.«
Roh nickte langsam. »Einiges kann ich mir
zusammenreimen. Daß sie noch immer die alten Ziele verfolgt,
wie immer sie ausgesehen haben mögen. Sie wird dir den Tod
bringen, Nhi Vanye i Chya. Aber das weißt du ja bereits. Bring
sie morgen früh so schnell wie möglich von hier fort. Schon
bedrängen uns die Leth an den Grenzen. Wir haben Berichte
erhalten. Männer sind umgekommen. Liell will Morgaine
aufhalten, wenn er kann. Und der Preis an Chya-
Menschenleben, den wir heute zu zahlen gewillt sind, ist nicht
hoch!«
Vanye starrte in die braunen Augen seines Cousins und fand
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dort eine widerstrebende Anerkennung: zum erstenmal redete
dieser Mann mit ihm, als hätte er noch die Würde eines uyo aus
dem hohen Klan. Es war, als hätte er sich doch nicht gar so
jämmerlich geschlagen, als bestätigte Roh eine Art Beziehung
zwischen ihnen. Er atmete tief ein und ließ die Luft wieder
heraus.
»Was weißt du von Liell?« fragte er Roh. »Ist er ein Chya?«
»Es gab einmal einen Chya Liell«, antwortete Roh. »Unser
Liell war ein guter Mann, ehe er Berater in Leth wurde.« Roh
blickte zu Boden und hob den Blick wieder; auf seinem
Gesicht stand ein Ausdruck des Abscheus. »Ich weiß es nicht.
Es heißt, es wäre derselbe Mann. Es wird behauptet, der Mann
in Leth wäre qujal. Er wäre alt  so wie Thiye von Hjemur. Ich
kann dir nur sagen, daß er in Leth die Macht verkörpert. Aber
wenn du aus diesem Land kommst, weißt du das selbst.
Zeitweise ist er ein ruhiger Feind, und wenn die schlimmsten
Ungeheuer in Koriswald auftauchen, die schlimmsten
Abgesandten Thiyes, dann sind Liells Leute nicht weniger
eifrig bemüht, Koris von der Plage zu befreien; zuweilen gilt
zwischen uns der Frieden der Jäger, zum gegenseitigen Vorteil.
Aber daß wir Morgaine Unterkunft gewährt haben, wird die
Beziehungen zwischen Leth und Chya nicht gerade
verbessern.«
»Ich glaube den Gerüchten«, sagte Vanye endlich. Ein
seltsames Gefühl der Kälte breitete sich in seinem Magen aus,
als er an das Seeufer dachte.
»Bis heute nacht habe ich sie nicht geglaubt«, meinte Roh,
»bis sie in unsere Halle kam.«
»Wir reiten morgen weiter«, sagte Vanye.
Roh musterte ihn noch eine Sekunde lang. »Du hast
Chyablut in den Adern«, sagte er. »Cousin, ich habe Mitleid
mit dir, mit deinem Geschick. Wie lange währt dein Dienst bei
ihr noch?«
»Mein Jahr hat eben erst begonnen«, antwortete Vanye.
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Und zwischen ihnen stand die wortlose Erkenntnis, daß
dieses Jahr sein letztes sein würde, begleitet von einem
traurigen Kopfschütteln Rohs.
»Sollte es dazu kommen«, sagte Roh, »sollte es dazu
kommen, daß du die Freiheit erringst  dann kehre nach Chya
zurück.«
Und ehe Vanye antworten konnte, hatte sich Roh entfernt
und verschwand in einem fernen Korridor des weitläufigen
Baus, der zu anderen Hütten führte.
Er war bewegt von etwas, mit dem er in seinen Träumen nie
gerechnet hatte: die Chya würden ihn aufnehmen.
Auf eine Weise war das grausam. Er würde sterben, ehe sein
Jahr vorüber war. Morgaine war dem Tode geweiht, er würde
ihr folgen; darin hatte er keine Wahl. Noch vor einer Sekunde
hatte er keinerlei Hoffnungen mehr gehabt. [ Pobierz całość w formacie PDF ]

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